„Es muss ein Umdenken stattfinden und mehr Fokus auf die Luft gelegt werden, die wir täglich einatmen”
7 Fragen an Ninett Rosenfeld
Ninett Rosenfeld ist Projektkoordinatorin des COMo‑Projekts, das während der Corona‑Pandemie ins Leben gerufen wurde. Während des Lockdowns waren viele Kultureinrichtungen gezwungen, ihre Räumlichkeiten zu schließen – diesem Umstand wollte das Projekt entgegenwirken! Die Idee war, für die Betreiber:innen von öffentlich zugänglichen Innenräumen eine Möglichkeit zu schaffen, wie sie ihre Raumluft mithilfe von Sensoren selbst steuern können und dadurch eine gewisse Sicherheit für sich und die Besucher:innen schaffen. Doch vor welchen Herausforderungen stand das Projekt und welche Hürden mussten überwunden werden?
Liebe Ninett, als Erstes muss ich natürlich wissen, was du über Raumluft gelernt hast? Warum ist Luftqualität überhaupt wichtig?
Die Arbeit am COMo‑Projekt hat mir deutlich gezeigt, dass die meisten von uns die Auswirkungen eines stickigen Raumes auf unser Wohlbefinden unterschätzen. Ich rede dabei nicht nur von einem erhöhten Ansteckungsrisiko, wir werden auch schneller müde und unsere Konzentrationsfähigkeit nimmt ab – schlechte Luft kann uns krank machen, wie das Sick Building Syndrom zeigt. Sogar Möbel und Teppiche in einem Raum können Auswirkungen auf unsere Luftqualität haben. Aber auch die Verbindung von Klimakrise und Luftqualität ist für mich viel deutlicher geworden. Die steigenden Temperaturen werden uns zwingen, unser Leben viel mehr in Innenräume zu verlegen. Deswegen wird auch die Frage nach einer guten und gesunden Luftqualität immer wichtiger. Es muss ein Umdenken stattfinden und mehr Fokus auf die Luft gelegt werden, die wir täglich einatmen.
Wie können wir deiner Meinung nach das Thema Luftqualität nachhaltiger und mit mehr Aufmerksamkeit diskutieren?
Die Pandemie hat für mich das Thema Luftqualität in “den Innenraum” getragen, aber losgelöst von der Pandemie haben wir nur wenig Bewusstsein über die Luft, die wir atmen. Wichtig zu betonen scheint mir deshalb, dass wir den Fokus nicht nur auf Corona legen, sondern auch die Grippe und andere Tröpfcheninfektionen bedacht werden. Wie bereits erwähnt, spielt auch die Verbindung zwischen Luftqualität und Klimakrise eine zentrale Rolle in der Kommunikation des Themas. COMo ist eines der wenigen Projekte, die sich spezifisch mit den CO2‑Werten in Innenräumen auseinandersetzen und dem Thema so mehr Sichtbarkeit verschaffen.
Das Projekt hat mich auf jeden Fall auch selbst sensibilisiert und ich mache zu Hause schneller mal ein Fenster auf.
Was waren für dich die größten Meilensteine im Projekt?
Der erste wichtige Meilenstein war für mich die Veröffentlichung der Webseite, die das Projekt überhaupt erst sichtbar gemacht hat. Aber der größte Schritt war ganz klar unser Widget, das Herzstück unseres Projekts, mit dem wir die Messdaten der Sensoren visualisieren können. Mit dem Widget können die Betreiber:innen ihre Sensordaten der Öffentlichkeit kommunizieren. So können sich die Besucher:innen schon vorab über die Raumluftqualität informieren. Das war ein absoluter Meilenstein, an dem alle Projektpartner:innen mitgewirkt haben von den Entwicklern über unseren wissenschaftlichen Partner, die HTW Berlin und natürlich wir von der Technologiestiftung. Der letzte Meilenstein war die Installation unserer Gateways. Aufgrund des Weltgeschehens hatten wir lange Lieferengpässe und es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir die Gateways installieren konnten, um dadurch das Netz auszubauen und es stabiler zu gestalten.
Welche Learnings nimmst du aus deiner Arbeit am COMo‑Projekt mit?
Es sind unheimlich viele unterschiedliche Arbeits‑ und Denkweisen zusammengekommen. Ein Entwickler arbeitet natürlich ganz anders als eine Wissenschaftlerin – da werden unterschiedliche Sprachen gesprochen und die Herausforderung besteht darin, eine gemeinsame zu finden. Eine gute Kommunikation ist das A und O! Nicht nur innerhalb des Teams oder mit den unterschiedlichen Projektpartner:innen, sondern auch mit den diversen Betreiber:innen. Einige Betreiber:innen hatten bereits einen technischen Background, anderen mussten mehr Informationen zugänglich gemacht werden. Auch den Benefit des Projekts zu kommunizieren war nicht immer einfach, da wir auch eine Verhaltensänderung herbeiführen wollten. Da habe ich gelernt, dass die Vermittlung von Wissenschaft und Technik am meisten Sinn macht, wenn die Menschen direkt vor Ort abgeholt werden und eine unmittelbare Kommunikation stattfindet. Das war aber nicht nur wichtig für das Projekt, sondern auch unglaublich spannend und bereichernd für mich persönlich.
Außerdem habe ich noch einmal ganz viel über Raumluft gelernt und kann jetzt die Bedeutung von CO2 besser einschätzen.
Vielleicht kannst du für uns Nerds auch noch ein wenig was zur Technik hinter dem Projekt sagen? Wie funktioniert die Datenübertragung genau?
Wir nutzen für unser Projekt das LoRaWAN Netzwerk, das von einer freiwilligen Community aufgebaut und betrieben wird. Die Übertragung funktioniert grundsätzlich wie folgt: Der Sensor sendet seine Daten über die LoRa‑Technologie an ein Gateway, das Gateway überträgt dann die Daten über das Internet an den Server des The Thing Network – da ziehen wir die Daten runter und visualisieren diese auf unserer Plattform. LoRaWAN kann über eine sehr weite Strecke funken, was super ist für IoT‑Anwendungen!
Obwohl es natürlich ein großer Vorteil war, eine bereits vorhandene Infrastruktur zu haben, konnte diese nicht immer für unsere Zwecke genutzt werden. Im letzten Jahr gab es beispielsweise ein Update der Gateways, einige standen danach für uns nicht mehr zur Verfügung. Wir haben auch drei Outdoor‑Gateways bestellt und mussten dann lange überlegen, wo es am meisten Sinn macht, diese zu positionieren.
Was hat dir persönlich am meisten Spass gemacht?
Ganz klar, die Zusammenarbeit vor Ort mit den Betreiber:innen. Wie bereits erwähnt, war es eine äußerst diverse Gruppe, bei der unterschiedliches Vorwissen zusammengekommen ist. Mit denjenigen, die bereits über ein technisches Verständnis verfügten, war die Kommunikation entsprechend leichter und die Begeisterung für das Projekt setzte schnell ein. Aber auch den Blick auf Luftqualität bei einigen Betreiber:innen neu zu schaffen und sich viel Zeit für die Kommunikation zu nehmen, damit auch verstanden wird, was der persönliche Gewinn ist, an diesem Projekt mitzumachen, war eine spannende Herausforderung. Es braucht ein wenig Zeit, sich in die Bedienung der Plattform reinzufuchsen – da ist es wichtig, die Leute an die Hand zu nehmen und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen.
Ich habe für mich noch einmal deutlich erkannt, wie fasziniert ich vom Bereich der Citizen Science bin! Solche bürgernahen Projekte haben für mich ein unheimlich großes Potenzial, die Bürger:innen näher an die Wissenschaft heranzuführen und ihren Blick für gewisse Themen zu schärfen, davon profitiert dann auch wieder die Wissenschaft. Eine gewinnbringende Wechselbeziehung für alle Parteien.
Letzte Frage: Wie geht es weiter mit dem Projekt?
Die Frage ist noch nicht ganz geklärt, wir sind gerade dabei, den Weiterbetrieb zu klären.
Mein Traum wäre, dass sich jemand findet, der das Projekt übernehmen möchte und gleichzeitig Lust darauf hat, mehr Bewusstsein für das Thema Raumluft zu schaffen und das Netzwerk, das wir aufgebaut haben, zu erweitern! Auch das Wissen, das wir über das LoRaWAN‑Netzwerk generiert haben, ist wertvoll und kann für weitere Projekte eine Möglichkeit sein, daran anzuknüpfen.
Ich hoffe, dass das COMo‑Projekt weiterhin dabei helfen wird, etwas Unsichtbares wie Luftqualität sichtbar zu machen.
Wer zum COMo‑Projekt mehr erfahren will, ist herzlich zu unserer Veranstaltung “COMo‑Projekt: Bessere Luftqualität dank CO2‑Monitoring” am 28. September 2022 um 15 Uhr im CityLAB Berlin, Platz der Luftbrücke 4, 12101 Berlin eingeladen. Weitere Details dazu, gibt es hier!